Die weit verbreitete Vorstellung ist, dass Konflikte destruktiv, negativ und zu vermeiden wären. Erfüllte Beziehungen müssen in Idealfall konfliktfrei oder mindestens ohne ausgeprägte Auffälligkeiten sein! Dieser Irrglaube begegne ich immer wieder in meiner Beratungspraxis. Geht es eigentlich in der Beziehung, um eine konfliktfreie Zone zu erreichen? Paare, die immer gleicher Meinung sind, werden als glücklich bezeichnet. Aber sobald Konflikte auftreten, beginnt man an der Partnerschaft zu zweifeln: Sind wir noch glücklich? Ist alles in Ordnung mit uns? Menschliches Verhalten ist weitaus durch die eigene Biographie bedingt. Unser Beziehungskonzept programmiert uns auf gewisse Verhaltensweisen für unser ganzes Beziehungsgeflecht vor. Wir lieben, so wie wir geliebt wurden und gleich so hassen, streiten und fechten wir Konflikte aus. Wir wurden am Modell unserer Bezugspersonen geformt. Unsere Persönlichkeit spielt dazu auch eine wichtige Rolle. Somit ist kein Wunder, dass sich zwei Menschen in ihren Lebensauffassungen, Bedürfnisse und Gefühle unterscheiden und der Traum von den Seelenverwandten märchenhaften Charakter bekommt und der Prozess der Entfremdung ist voll im Gange. Wir alle haben das Bedürfnis unsere Individualität zur Geltung zu bringen und das erzeugt ja mal Konflikte.

Bei Paare höre ich oft als Argument für die Trennung: Wir sind doch so unterschiedlich, wir haben uns auseinandergelebt darum können wir nicht mehr zusammen auskommen! Die Untersuchungen aber zeigen, dass glückliche und unglückliche Paare so ziemlich denselben Konfliktstoff haben. Darum stellt sich hier die Frage: Was unterscheidet glückliche von unglückliche Beziehungen? Es ist nicht das «WAS», sondern das «WIE». Es sind nicht die Konfliktthemen, sondern wie wir solche Konfliktsituationen bewältigen. Was ist ein Konflikt? Wir können ihn als das Aufeinandertreffen von Unterschieden zwischen den Partnern bezeichnen. Zwei Welten, mit unterschiedlichen Gefühle, Bedürfnisse oder Einstellungen beider Partner stehen sich gegenüber, treffen aufeinander, wie z.B. verschiedene Wertvorstellungen, Weltanschauungen, Auffassungen von der Kindererziehung, Interessen für die Freizeit, Erwartungen bezüglich Zärtlichkeit und Sexualität und sogar das Konzept von der Liebe…

Wenn wir in unser Beziehungskonzept so vorprogrammiert sind, dass das Konflikt gleich negativ beladen ist und soeben Streit bedeutet, es kann ein Konflikt nie gut ausgehen. Wieso? Weil Streit die kämpferische und destruktive Form der Auseinandersetzung in einem Konfliktfall meint. Emotionen bekommen freien Lauf und unter diese emotionale Überflutung geht man mit der ganzen Wucht auf den anderen zu. Man verallgemeinert und man nimmt die Vergangenheit und die Persönlichkeit des anderen auseinander und … alle beide verlieren! Die Beziehung wird angekratzt. Gottman schlussfolgert, dass für eine verletzende Tat mindestens fünf weitere positive Gesten notwendig sind um das Beziehungskonto auszugleichen.

Das muss aber nicht sein, denn Konflikte haben etwas Positives in sich. Konflikte sind Chancen und Möglichkeiten! Sie können Gewinner erzeugen! Sie sollten uns ermöglichen den anderen besser kennenzulernen und das gegenseitigen Vertrauen sollte wachsen. Ich staune immer wieder, wenn ich in Konfliktsituationen die Lösungsideen meiner Frau höre. Sie bringt oft Meinungen und Ideen ein, die praktisch und innovativ sind. Wir sollten die Relativität unserer Wahrnehmung zugeben und mit mehr Empathie, Annahme und Echtheit auf der Plattform der Gleichwertigkeit den Konsens ausarbeiten. Das funktioniert nur, wenn wir die Verschiedenartigkeit des Partners akzeptieren und eine neue Einstellung zu seinen Eigenarten und seiner Persönlichkeit gewinnen. Ich will euch Mut zum Konflikt machen, aber mit der richtigen Einstellung und Konfliktlösungsstrategie.

Mit freundlichem Gruss
Dr. Daniel Herzog (www.care4soul.ch)