Räumliche Entwicklungsperspektive Winterthur 2040

Mit der Entwicklungsperspektive Winterthur 2040 soll die Stadt fit für die Zukunft gemacht werden. Doch was ist damit gemeint? Was bedeutet es für die Entwicklung der Stadt Winterthur? Und was bedeutet es für die heutige Bewohnerin, den heutigen Bewohner des Quartiers? Wir liefern fünf Fragen und Antworten.

Winterthur 2040 formuliert die Leitideen für die langfristige räumliche Gestaltung der Stadt Winterthur. «Das neu geschaffene Instrument ist eine Art gesamtstädtischer Kompass für die raumplanerische, städtebauliche und freiräumliche Entwicklung», präzisiert Stadträtin und Bauvorsteherin Christa Meier.

An Winterthur 2040 sollen sich die nachgelagerten Planungs- und Entwicklungsprozesse orientieren, es bildet die Grundlage für die Revision des kommunalen Richtplans sowie der Bau- und Zonenordnung.

Winterthur 2040 wurde von einem Team bestehend aus UrbanistInnen, ArchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, Verkehrs- und RaumplanerInnen sowie SoziologInnen ausgearbeitet, wobei ein wichtiger Fokus darauf lag, auf bereits Bestehendem aufzubauen.

Mike Künzle: «Winterthur 2040 erfindet unsere Stadt nicht neu. Wir bauen auf bestehenden Qualitäten und Grundlagen auf und entwickeln diese mutig weiter, so dass unsere Stadt fit ist für die Zukunft.»

Wieso braucht es Winterthur 2040?
Winterthur ist eine Gartenstadt, eine Velostadt, eine Bildungsstadt. Die Stadt der kurzen Wege, eine Kulturstadt und eine Stadt mit prägender industrieller Vergangenheit. Winterthur ist eine lebendige und lebenswerte Stadt und dies gilt es zu erhalten.
Doch Winterthur steht – wie alle Städte – vor grossen Herausforderungen: Wachsende Bevölkerungszahlen mit einhergehenden steigenden Verkehrszahlen bei gleichbleibenden Platzverhältnissen. Mehr Verkehr führt zu geringerer Lebensqualität. Grün- und Freiräume werden knapper aber umso wichtiger.
Mit Winterthur 2040 will sich Winterthur für diese Herausforderungen wappnen und sie als Chance nutzen.

Was sind diese Herausforderungen?
Winterthur wächst. Damit dieses Wachstum zum Vorteil genutzt werden kann, soll es nicht flächendeckend, konzentriert entlang der bestehenden Verkehrsachsen zwischen Töss und Oberwinterthur erfolgen.

«Urbanes Rückgrat» soll Hauptteil des Wachstums auffangen
Dieses sogenannte «urbane Rückgrat» vom Stadteingang Winterthur Töss über die Zürcherstrasse entlang des Gleiskorridors über den Bahnhof Grüze bis nach Oberwinterthur soll den Hauptteil des Wachstums auffangen. Durch gezielte Verdichtung und räumliche Fokussierung wird die Stadt im Inneren weitergebaut. Dies führt dazu, dass die Quartiere vom Verdichtungsdruck entlastet werden.

Eine hohe Nutzungsdichte begünstigt zudem eine effiziente Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr sowie eine CO²-arme Energieversorgung.
Nachholbedarf wurde bei den Sportanlagen festgestellt. Dafür will die Stadt entsprechende Flächen im Zuge der Entwicklung im urbanen Rückgrat und in den Quartieren frühzeitig sichern und entwickeln.

Dafür sollen auch Bauten nach Möglichkeit mehrfach genutzt werden und so nicht nur einer Gruppe, sondern einem Grossteil der Bevölkerung offenstehen. Als Beispiel nennt die Stadt das Busdepot, auf dessen Dach auch ein Sportplatz liegen könnte.

Mehr Menschen, mehr Verkehr, nicht mehr Platz
Beim Verkehr sieht sich die Stadt mit der Herausforderung konfrontiert, die Stadt mit guten Verkehrsanschlüssen für verschiedene Verkehrsmittel gewerbefreundlich und wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Gleichzeitig muss sie bei der Verkehrsplanung die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen berücksichtigen.

Die Entwicklungsperspektive will diesen Spagat mit einer sogenannt «stadtverträglichen Mobilität» meistern. Das soll heissen: Die Stadt will den bestehenden Mobilitätsbedürfnissen nachkommen, aber die Verkehrsräume so gestalten, dass die Lebens- und Wohnqualität nicht darunter leidet.

Die Bevölkerung und damit einhergehend der Verkehr werden auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen, nicht jedoch der zur Verfügung stehende Platz. Das bedeutet, dass der Anteil an platzsparenden Verkehrsmitteln erhöht werden muss. FussgängerInnen, Velos oder Busse sollen also gegenüber dem Auto priorisiert werden. Dafür sollen laut Winterthur 2040 die Anzahl Wege beim motorisieren Individualverkehr bis 2040 um rund 20 Prozent abnehmen. Im gleichen Zeitraum sollen sich die Velofahrten verdoppeln.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollen neue Veloschnellrouten die Quartiere komfortabel und sicher mit dem Zentrum verbinden. Wichtige Voraussetzungen sind auch der Ausbau von Veloabstellmöglichkeiten an Quelle und Ziel, insbesondere an wichtigen ÖV-Drehscheiben. Ebenfalls zur Vision gehören stadtweite Veloverleihangebote oder flächendeckende Hausliefer- und Kurierdienste mit Transportvelos.

Was bedeutet das für uns BewohnerInnen?
Wie wirkt sich die Entwicklungsperspektive auf die BewohnerInnen in den Quartieren ausserhalb dieses sogenannten urbanen Rückgrats aus?

Dadurch dass das Wachstum ins urbane Rückgrat gelenkt wird, werden die anderen Quartiere entlastet. Diese sollen gemäss Entwicklungsperspektive «behutsam und aus dem Bestand heraus» entwickelt werden. Das bedeutet, dass in diesen Quartieren nur punktuell an geeigneten Lagen – z.B. rund um die Bahnhöfe Seen und Wülflingen oder bei Erneuerung von in die Jahre gekommener Wohnsiedlungen – verdichtet gebaut werden soll. Und nur dann, wenn das Wohnangebot vielfältiger oder die Qualität der Aussenräume verbessert werden. Damit sollen die Quartiere gestärkt werden.

5-Minuten-Quartiere
Eine wichtige Qualität der Quartiere, auf welchen die Stadt aufbauen möchte, sind die sogenannten «5-Minuten-Quartiere». Läden, Schulen, Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs: Alles soll in fünf Minuten erreichbar sein. Denn alles in seinem Quartier zu erhalten ist vor allem für ältere, weniger mobile Menschen zentral und so ist auch eines der Ziele: ältere Menschen sollen so lange als möglich in ihren Quartieren bleiben können.
Dafür möchte die Stadt die Versorgungs-, Sport- und Freizeitangebote
sowie Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Jung und Alt fördern und quartiergerecht umsetzen.
Grundsätzlich werden die Voraussetzungen für solche «5-Minuten-Quartiere» bereits heute als gut eingeschätzt. Nachholbedarf sieht die Stadt bei den öffentlichen Grün- und Freiräumen.

Stadt schafft Rahmen, WinterthurerInnen gestalten mit.
Auch wenn die Entwicklungsperspektive vor allem die Geschäfte und Entscheidungen von Behörden und Politik betrifft, so appelliert der Stadtrat auch an die Bevölkerung: «Die Stadt schafft den Rahmen dafür – gestaltet wird gemeinsam.»

Konkret wünscht Winterthur 2040 beispielsweise, dass sich Pünten für SpaziergängerInnen öffnen. Privatpersonen können zudem durch standortgerechte Bepflanzung und Entsiegelung ihrer Grundstücke, durch Begrünung von Fassaden oder indem sie grosse Bäume nicht vorschnell fällen, einen wichtigen Beitrag leisten.

Bis 2040 sind es noch 19 Jahre.
Die Stadt Winterthur ist gross. Wo fängt man da bei der Umsetzung an?

Weil nicht alle Ziele auf einmal umgesetzt werden können, hat die Stadt Räume definiert, deren Entwicklung sie zuerst anpacken will. Allen sogenannten «Schwerpunkträumen» gemeinsam ist die Lage im urbanen Rückgrat. Zudem kommen in diesen Räumen besonders viele aktuelle Projekte, vielfältige Herausforderungen und städtebauliche Themen zusammen.

Die sechs Schwerpunkträume

Gleiskorridor und Hauptbahnhof
Bei den aktuellen Wachstumszahlen und Pendlerströmen wird mit einem Ausbau des Bahnhofs ab 2045 gerechnet. Weiter spielen Fussgängerzugänge und die Ausdehnung des «Fussgängerteppichs» rund um den Bahnhof bis in die Quartiere hinein eine wichtige Rolle. Eine besondere Herausforderung bildet dabei das Zusammenspiel privater und öffentlicher Projekte mit jenen der SBB.

Zürcherstrasse
Die Verkehrsbelastung auf der wichtigen Verkehrsachse ist hoch, die Attraktivität des Strassenraums tief. Die Lösung sieht die Stadt im urbanen Bauen und Nutzen: Dichter, höher, vielseitiger und grüner. Und: Der öffentliche Verkehr soll, einhergehend mit Tempodrosselung, konsequent bevorzugt werden.

Oberwinterthur
Die drei Teile historischer Dorfkern, kommerzielles Zentrum Römertor und Bahnhof sind nicht als Einheit lesbar. Die öffentlichen Räume ausserhalb des Ortskerns haben wenig Aufenthaltsqualität und sind für FussgängerInnen unattraktiv. Deswegen sollen diese drei ungleichen Teile verbunden werden, aber auch der Anschluss nach Neuhegi oder zum Eulachpark soll vor allem auch für Fuss- und Veloverkehr ausgebaut werden.

Auwiesen und Rieterareal
Der südliche Stadteingang Winterthurs wird von der Autobahn A1 dominiert. Sie trennt die Quartiere Töss und Dättnau und belastet deren BewohnerInnen mit Verkehrslärm. Die bis dann sechs- oder achtspurige Autobahn tieferzulegen oder zu überdecken, würde beide Quartiere wieder verbinden und neue Freiräume schaffen.

Grüze
Der Bahnhof Grüze wird nach dem Ausbau der zweitwichtigste Bahnhof der Stadt. Weitere Bauten für Gewerbe und Wohnen werden um ihn herum entstehen. Ziel ist ein kreatives, buntes und belebtes Gewerbequartier. Ein zusätzlicher Bedarf an Grünräumen wird erwartet (hier kann die Stadt mit ihren eigenen Grundstücken wichtige Impulse setzen).

Wissensquartier
Dem Ausbau des ehemaligen Sulzer- und Lagerplatzareals in einen lebendigen Fachhochschulcampus folgt der Ausbau des Gebiets zwischen Technikum und Zeughaus. Neben Bauten für Bildung sollen auch Freiräume entstehen. Diese sollen auch ausserhalb der Schulzeiten der Quartierbevölkerung offenstehen.

Und der Stadtkreis Mattenbach mit den Quartieren Deutweg, Gutschick und Endliker?

Die Allmend Grüzefeld wird als
wichtiger, zentraler Grünraum hervorgehoben. Bei einigen Grosswohnsiedlungen aus den 1960/70er-Jahren, darunter auch einigen im Quartier Gutschick und Endliker, sieht die Stadt Erneuerungsbedarf. Das Quartierzentrum Gutschick-Mattenbach und der Raum darum herum werden als «Gebiet mit Potential» eingestuft. Entwicklungspotential sieht die Stadt zudem bei den drei Flüssen Eulach, Töss und Mattenbach und da beispielsweise der Renaturierung des Mattenbachs.


Fotos: Raffaela Spataro

Hier finden Sie weitere Informationen rund um Winterthur 2040:

Podcast:
Stadtgeschichten der Zukunft
Wie sieht Oberwinterthur in knapp 20 Jahren aus? Wie hat sich die Aussicht vom «Bäumli» auf die Stadt verändert? Und was tun Tössemer im Jahr 2040 in ihrer Freizeit? In sechs kurzen Folgen beschreiben fiktive Winterthur-erInnen aus der Zukunft, wie ihre Stadt im Jahr 2040 aussieht.
Anhören unter:
stadt.winterthur.ch/2040

Ausstellung im Superblock
Wimmelbilder und Stadtgeschichten im Erdgeschoss des Superblocks zeigen, welche Schwerpunkte die Stadt anpackt, um sich für die Zukunft fit zu machen. Eine Ausstellung im Obergeschoss liefert bis Ende November 2021 Details dazu.

Superblock
Pionierstrasse 7
8400 Winterthur