Verein Familien und Jugendhilfe Winterthur

Die fünfjährige Lea sitzt gebannt neben seinem «Gotti», Carla Müller, die ihr eine Geschichte erzählt. Jeden Mittwochnachmittag verbringt Lea bei seinem Gotti, manchmal besucht sie sie auch an einem Wochenende. Sie liebt es, Zeit mit ihr zu verbringen, ihre Geschichten zu hören, in den Wald zu gehen, oder gemeinsam einen Kuchen zu backen. Carla Müller ist jedoch nicht mit Lea verwandt, und vor einem Jahr hat sie Lea noch nicht mal gekannt.

Carla Müller liebäugelte schon lange damit, sich sozial für Kinder zu engagieren, doch liess sich ein Engagement nebst ihrer erfüllenden Teilzeitarbeit für sie nie stimmig vereinbaren – bis sie vom Angebot Begleitete Patenschaften von FUJH, dem Verein Familien- und Jugendhilfe Winterthur erfahren hat. Für dieses Angebot wurden Freiwillige gesucht, die sich als Paten oder «Grosseltern» für Kinder von belasteten Eltern einsetzen möchten. Carla Müller nahm Kontakt mit FUJH auf, und schon bald fand ein Gespräch mit der Koordinatorin und einer Mitarbeiterin statt, in dem ihr das Angebot genau erklärt, wie auch mit ihr gemeinsam erarbeitet wurde, für welche Kinder sie sich als Patin aufgrund ihrer zeitlichen Möglichkeiten und auch aufgrund ihrer Persönlichkeit am besten eigenen würde.

Etwa gleichzeitig meldete sich Mirella Binder bei FUJH. Sie war vor sechs Jahren der Liebe wegen von Norddeutschland in die Schweiz gezogen. Ihr Mann hatte sie jedoch vor vier Jahren verlassen, seither lebt sie alleine mit Lea. Ihr Arbeitspensum als Pflegefachfrau musste sie reduzieren, da sie seit vier Jahren an einer Depression leidet, die immer wieder aufflammt und sie oftmals richtiggehend lahmlegt. Bis vor einem Jahr kam ihre Mutter regelmässig aus Deutschland zu ihr, um während den akuten Krankheitsphasen Lea zu betreuen, doch nun geht es auch ihrer Mutter gesundheitlich schlecht, und die Reise in die Schweiz ist zu beschwerlich. Da Mirella Binder noch nicht lange in der Schweiz ist, leben ihre Freunde alle in Deutschland, und durch ihre Arbeit, die Krankheit wie auch durch die Zeit, die sie mit Lea verbringen möchte, hatte sie keine Zeit, sich um den Aufbau von neuen Freundschaften zu kümmern. Aktuell geht es ihr psychisch besser, sie hat eine gute Therapeutin gefunden, zu der sie Vertrauen hat. Doch leidet sie sehr daran, dass sie Lea kein soziales Umfeld bieten kann, dass sie «nur» sie als Mutter als Bezugsperson hat. Die Grosseltern in Deutschland leben zu weit weg, und telefonische Kontakte ersetzen keine Beziehung, und die Grosseltern in der Schweiz zeigen kein Interesse mehr an ihrem Enkel nach der Scheidung.

Das Angebot Begleitete Patenschaften von FUJH sprach daher Mirella Binder enorm an. Die Idee, dass für Kinder aus Familien wie der ihren, Freiwillige gesucht werden, die eine langfristige Beziehung zu den Kindern aufbauen möchten, und so ein «echtes» «Gotti», «Götti», ein «Grossmami» oder «Grosspapi» werden, fand sie wunderbar.

Kurz nachdem sie sich bei FUJH gemeldet und ihr Anliegen dargelegt hat, nahm eine Mitarbeiterin von FUJH Kontakt mit ihr auf und verkündete, dass sie eine mögliche Patin für Lea gefunden habe. Ein erstes Treffen im Bruderhaus wurde vereinbart, zusammen mit dieser Patenschaftsbegleiterin von FUJH. Mirella Binder, wie auch Carla Müller waren sehr froh, dass das erste Treffen von FUJH begleitete wurde. Die Aufregung und die Nervosität waren jedoch auf beiden Seiten rasch verflogen, vor allem auch, weil Lea vom ersten Moment an sehr freudig auf Carla Müller reagiert hat, und sich die beiden Frauen auch auf Anhieb sympathisch waren. Als sie im Anschluss noch die Wohnung von Carla Müller anschauen gingen, und Lea die Fische im Aquarium sah, war das Eis endgültig gebrochen. Es war deshalb allen nach der Bedenkzeit klar, dass sie sich auf den Versuch einer Begleiteten Patenschaft einlassen möchten. Gemeinsam mit der Patenschaftsbegleiterin wurde eine Patenschaftsvereinbarung erstellt, in der alle aktuellen Fragen auf beiden Seiten geklärt werden konnten, und in der abgemacht wurde, wann und wie genau Lea Kontakt zu Carla Müller hat, so dass es für alle stimmt.

Schon am kommenden Mittwoch brachte Mirella Binder Lea zu Carla Müller, und dieser genoss den Nachmittag bei Carla Müller enorm, kam glücklich und voller Erzählungen nach Hause. Auch Mirella Binder spürte mit der Zeit, dass, nebst der Freude, die sie bei Lea wahrnimmt, ein «Gotti» zu haben, sie auch bei sich eine enorme Entlastung wahrnimmt. Sie weiss, dass Lea bei Carla Müller in besten Händen ist, und kann an den Mittwochnachmittagen endlich mal wieder etwas für sich machen, spazieren gehen oder einmal mit Bekannten von der Arbeit einen Cafe trinken. Durch diese Momente für sich alleine, fühlt sie sich stärker, und auch die Krankheit kann sie nicht mehr so tief runter ziehen, wie vor der Zeit, als die ganze Last der Verantwortung für Lea auf ihr lag. Sie hat auch Vertrauen zu Carla Müller geknüpft und schämt sich nicht mehr, ihr zu sagen, wenn die Depression wieder im Anmarsch ist und sie hindert, Lea pünktlich zu Carla Müller zu bringen, oder sie sogar einen Termin mit ihr vergessen hat. Nach einem Jahr finden nun die Treffen zwischen Lea und Carla Müller oft auch an anderen Tagen statt, ganz spontan. Carla Müller ist beim Räbeliechtliumzug mit dabei, und auch beim Besuchstag im Kindergarten war es Lea sehr wichtig, dass sie auch schauen kommt, und er sie seinen Gspänli vorstellen kann.

Auch Carla Müller geniesst ihre Rolle als «Gotti» in vollen Zügen. Sie ist sehr froh, dass sie bei Fragen und Unsicherheiten die Patenschaftsbegleiterin kontaktieren kann und professionelle Unterstützung erhält, dass sie an Erfahrungsaustauschtreffen mit andere Paten teilnehmen und auch von Weiterbildungen profitieren kann.

Falls auch Sie Lust und Interesse haben, ein Götti, Gotti, Grossmami oder ein Grosspapi für ein Kind aus einer belasteten Familie zu werden, eine langfristige Beziehung zu ihm einzugehen, dann melden Sie sich bei uns. Auch wenn Sie Bedarf an einer weiteren Beziehungsperson für ihr Kind haben, so freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme bei FUJH, Verein Familien- und Jugendhilfe Winterthur,

Renate Diener, St. Gallerstrasse 57, 8400 Winterthur. Tel. 052 244 02 30, renate.diener@fujh.ch.