Jedes Paar erlebt konfiktbeladene Zeiten in jeder Beziehung. Problematisch ist jedoch nicht die Krise an sich, sondern unsere Bewertung der Situation. Darauf zu warten, dass die Partnerin oder der Partner sich verändert, kann sich als verhängnisvoll für die Qualität oder sogar für das Fortbestehen der Beziehung erweisen.

Das tun, was man vom Anderen erwartet
Ich schlage vor, in den nächsten Monaten ein kleines Experiment zu wagen. Dafür muss man sich aber ganz bewusst entscheiden, damit es wirksam wird und neue, positive Akzente in der Beziehung gesetzt werden können. Es ist eine der effektivsten Hausaufgaben, die ich für Paare in der Therapie verschreibe: Sie sollen anfangen, das zu tun, was sie vom Anderen erwarten – und zwar unabhängig davon, was der Partner oder die Partnerin tut. Das kann auch etwas ganz Neues sein. Denn wenn ich mich ändere, dann wird sich auch das Verhalten des Partners ändern!

Das bedeutet nicht, seine eigene Persönlichkeit zu unterdrücken. Die Veränderung soll nur auf der Verhaltensebene stattfinden. Meine Erfahrung in der Paartherapie zeigt, dass dieses Experiment grosse Auswirkungen auf die Qualität der Partnerschaft mit sich bringt.

Wachstum erfordert Veränderung
Natürlich sind Veränderungen manchmal anstrengend. Oft werden sie von Ängsten begleitet. Hier verlässt man das Altbekannte und wagt sich auf ein neues Gebiet. Wer aber verbissen am Bestehenden festhält, hat noch nicht verstanden, dass Veränderung der natürliche Fluss des Lebens und ein Prozess des Wachstums ist. Auf den griechischen Philosophen Heraklit geht die Formel «panta rhei» (alles fliesst) zurück. Auch unsere Beziehungen fliessen mit dem Leben mit. Darum dürfen wir nicht statisch werden. Wenn wir das erkannt haben, würde uns klar sein, dass der Prozess einer Trennung bzw. Scheidung viel mehr Leid mit sich bringen und mehr Bewältigung erfordert, als ein Neubeginn. Durch eine neue, positive Einstellung bekommt die Beziehung einen Belohnungscharakter, und ihre positiven Seiten werden wiederbelebt. Dabei sind es die kleinen Dinge des Lebens, die positiv gestaltet werden müssen um das tägliche Miteinander zu erfrischen.

«Wie war dein Tag?»
Konkret bedeutet das, neue Wege zu finden, um mehr Initiative, Aktivität und gegenseitige Aufmerksamkeit in die partnerschaftliche Beziehung zu bringen. Dies kann ein kurzes Gespräch am Abend nach der Arbeit sein («Schatz, was hast du heute erlebt? Wie war dein Tag?»), dies allerdings ohne zu bewerten oder Ratschläge zu erteilen. Überraschen Sie lieber Ihren Partner mit einer kleinen Geste der Aufmerksamkeit, der Liebe und Wertschätzung. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick prägte den Grundsatz: «Man kann nicht nicht kommunizieren». Darauf zu achten, was man und wie man sich mitteilt, sind einfache Fertigkeiten der Verständigung und Selbstöffnung in einer Beziehung, die jeder einmal bei sich selbst überprüfen sollte.

Auch der Umgang mit Stress ist eine Fähigkeit, die gelernt sein will. Professor Guy Bodenmann von der Universität Zürich untersuchte den Stress bei Paaren und fand heraus, dass es nicht die grossen Ereignisse sind, die Beziehungen zerstören.

Wenn solche Ereignisse kommen, dann reissen sich die Partner zusammen und schaffen es gemeinsam die Situation zu bewältigen. Es sind eher die kleinen, täglichen Widrigkeiten, welche die Beziehungen beschädigen und letztlich zu Fall bringen. Dem muss man neue positive Akzente entgegensetzen.

Mit freundlichem Gruss
Dr. Daniel Herzog (www.care4soul.ch

Daniel Herzog

52 Jahre, verheiratet, zwei Töchter.
Pastor in Koblenz,
Systemischer Therapeut (i.A.)
Er studierte Ehe-, Familien- und Lebensberatung (MA.) sowie Theologie (M. Th.) an der ThH-Friedensau.
Tätigkeit als Pastor, pädagogische Fachkraft für verhaltensauffällige und benachteiligte Jugendliche, seit 2014 selbstständiger Psychosozialer Berater (www.care4soul.ch) in Winterthur (Schweiz), Systemischer Therapeut (i. A.).