Kunstobjekte im Gutschickquartier

Öffentliche Kunst im Quartier Gutschick-Mattenbach

Wer einen Spaziergang durchs Gutschickquatier macht, wird staunend auf eine Anzahl
öffentlicher Kunstobjekte stossen, die einen in den Bann ziehen, wenn man sich die Zeit nimmt, diese genauer zu betrachten. Im vorliegenden Artikel stelle ich zwei Kunstwerke von Mathis Piotrowski vor.

Mathis Piotrowski: Akrobaten, 1962
© Maria Luisa D‘Agostini Vog

Eines ist die Stele namens «Akrobaten» an der Scheideggstrasse auf der Wiese vor dem heutigen Quartierladen «Dicle Supermarkt». Der Künstler Mathis Piotrowski erhielt anlässlich der Überbauung Gutschick im Sommer 1961 von der Firma Mattenbach AG den Auftrag, eine Plastik zu schaffen, welche den Bezug zur architektonischen Gestaltung der neuen Hochhäuser aufweisen sollte. Das Thema war freigestellt. Mathis Piotrowski wählte das Thema «Akrobaten». Wir sehen zwei Personen in akrobatischer Stellung übereinanderstehen. Beide haben die Arme ausgebreitet, die untere Figur hat ein Bein rechtwinklig angehoben und schaut, den Kopf im Nacken, konzentriert zur oberen Figur, welche sich mit einem Bein auf ihr, als untere Figur, stützt, dabei das andere Bein senkrecht nach oben streckt und in den Himmel schaut. Anmut und Kraft vereinigen sich in dieser Komposition. Der Auftrag, das Element des Hochhauses zu spiegeln, ist zweifach erfüllt.
Einerseits durch die himmelwärts strebende Gestaltung des Kunstwerks, anderseits, indem die Komposition den Gedanken einer Gemeinschaft, welche durch gemeinsames Handeln ein
Zusammengehörigkeitsgefühl schafft, anklingen lässt.
Die 6,20 m hohe Figur aus Aluminium ist auf einem steinernen Obelisken von etwa 16 m Höhe platziert. Sie symbolisiert das in den 60er Jahren neu aufstrebende Quartier Gutschick, in dem durch moderne Architektur neuer Wohnraum geschaffen wurde. Die Skulptur weist auch auf die benachbarte Sportanlage Deutweg hin, einen Ort der Bewegung und Erholung.

Mathis-Piotrowski-Fliegende-Schwaene-1963-Maria-Luisa-DAgostini-Vogt

An der Scheideggstrasse 12 ist ein weiteres Kunstwerk von Piotrowski zu entdecken. Es handelt sich um das Aluminiumrelief «Fliegende Schwäne», das sich an der Fassade des Gebäudes «Betreuung Gutschick» befindet.
Hier ist das Thema «Zugvögel» sichtbar. Wieder legt der Künstler Wert auf die Idee von Aufbruch und Bewegung. Ein Fuchs verfolgt losfliegende Schwäne, welche elegant in den Himmel davonziehen. Vielleicht soll das Relief ein Symbol für das Wesen des Kindes sein, das ebenfalls vorwärtsstrebt und Neues entdecken möchte. Dabei sollen sich die Heranwachsenden frei bewegen und selbstständig orientieren dürfen.
Mit dem Künstler Mathis Piotrowski erhalten wir Einblick in ein Stück Emigrations- und Fluchtgeschichte des

Nach seinem Studium am Krakauer Konservatorium, das er mit einem Abschluss als Pianist verlässt, möchte er an der Kunstakademie weiterstudieren. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vereitelt seine Pläne.
Der 19-Jährige kommt als Motorradfahrer einer Panzereinheit an die Front. Polen unterliegt den Aggressoren und Piotrowski wird in Ungarn interniert. Dank einer Sonderbewilligung kann er in der Nähe von Budapest für kurze Zeit bei einem Kunstmaler studieren. Bald gelingt es ihm, über Jugoslawien und Italien nach Frankreich zu fliehen, wo er sich der neu organisierten polnischen Armee anschliesst.
Er kämpft an der Vogesenfront und ist einer der glücklichen Überlebenden. 1940 überschreitet die dezimierte Einheit die Schweizer Grenze im Jura. Er kommt nach Winterthur ins Internierten-Hochschullager. An der ETH besucht er Vorlesungen über Architektur und kann sich beim Bildhauer Hans Gisler weiterbilden.

Piotrowski fasst Fuss in seiner neuen Heimat. Er entwickelt sich zu einem vielseitigen Künstler, der in Winterthur auch als Lehrer an der Berufsschule und der Klubschule Migros tätig war. 1978 kam er mit seiner Frau bei einem Unfall ums Leben.
Dass sein Kunstwerk «die Akrobaten» im Gutschickquartier an prominenter Stelle sichtbar ist, passt zu Mathis Piotrowskis Biografie und zur kulturellen Vielfalt des Quartiers, in dem Menschen aus mehr als zwanzig Nationen vereinigt sind.

Quellen:
Miguel Garcia, Reto Westermann: Utopie und Urbanität, Städtebau und Gesellschaft im Gutschick.

Gedächtnisausstellung 1980 Mathis
Piotrowski, Ausstellung und Katalog, Stefan Piotrowski, Irena
Wohlgensinger-Piotrowski

Kunst im öffentlichen Raum Winterthur, herausgegeben von der Stiftung Edition Winterthur

Text: Maria Luisa D‘Agostini Vogt