Naturräume für Geist und Seele
Wer dem Mattenbachweg entlangspaziert, kann die Vielfalt der Pünten bestaunen. Jede Pünt ist einzigartig in ihrer Gestaltung. Die Beete sind sorgfältig gepflegt und mit Liebe bearbeitet.

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Susi und Rafaels Laube. Foto: Maria Luisa D’Agostini Vogt

Jeden Tag erfreut mich der Anblick der Pünten. So werden in Winterthur die Kleingärten genannt, welche in anderen Städten eher unter den Begriffen «Familiengärten» oder «Schrebergärten» bekannt sind. Wer dem Mattenbachweg entlangspaziert, kann die Vielfalt der Pünten bestaunen. Jede Pünt ist einzigartig in ihrer Gestaltung. Die Beete sind sorgfältig gepflegt und mit Liebe bearbeitet. Alles wächst und gedeiht: Gemüse aller Art, saftige Beeren, Trauben in lauschigen Lauben, Tomaten in selbstgezimmerten Gewächshäuschen, leuchtende Blumen – das Auge kann sich nicht sattsehen an dieser Schönheit. Ich gestehe, ich bin ein Fan der Pünten.

Im Quartier Gutschick-Mattenbach betreut der Püntenpächterverein (PPV), Revier Talgut, die Püntenareale südlich und nördlich der Waldeggstrasse. Das als Waldegg bezeichnete Areal ist ruhig gelegen und gut auf Radwegen erreichbar. Es umfasst zirka 46 000 Quadratmeter, aufgeteilt auf 280 Pünten. Die meisten Pünten umfassen 160 Quadratmeter, die Mietkosten belaufen sich auf rund 300 Fr. pro Jahr. Das Revier besitzt auch eine Revierhütte, das «Waldeggli», welche günstig für private Anlässe gemietet werden kann.1 Wie der Präsident des Reviers Talgut, Mario Bertolotti, berichtet, stehen aktuell keine Pünten frei.
Die Parzellen sind ausserordentlich beliebt und entsprechend lang ist die Warteliste für Pachtwillige. Wer weiterführende Informationen sucht, findet auf der Webseite des PPV einen guten Überblick zur Organisation des Püntenwesens und den Pünten internen Angeboten, siehe PPV Revier Talgut.

Weshalb sind diese Pünten so begehrt? Wer eine Pünt ergattert, gibt sie so schnell nicht mehr her. Um mehr über das Reich der Püntikerinnen und Püntiker zu erfahren, habe ich den Präsidenten des Reviers Talgut, Mario Bertolotti kontaktiert. Er lud mich zum Kaffee in seine Pünt ein, wo ich ihn, zusammen mit seinem Kollegen Giuseppe, interviewen durfte. Ein weiteres Interview führte ich mit einem jungen Paar (32 Jahre alt) aus dem Freundeskreis meines Sohnes. Neben Informationen allgemeiner Art zur Organisation in den Pünten, die M. Bertolotti in seiner Eigenschaft als Präsident vermittelte, kamen auch persönliche Motive zur Pacht einer Pünt zur Sprache.

Die Püntikerinnen und Püntiker nahmen zu folgenden Fragen Stellung:

Wie seid ihr dazu gekommen, eine Pünt zu pachten?
Was bedeutet euch die Pünt, was gefällt euch?
Wie oft seid ihr in der Pünt?
Was macht ihr, wenn ihr in der Pünt seid?
Wie ist euer Verhältnis zu den anderen Pächterinnen und Pächtern?
Welche Investitionen habt ihr für eure Pünt getätigt?
Habt ihr spezielle Aufgaben im Püntenpächterverein?

Mario Bertolotti bewirtschaftet seine Pünt seit sechs Jahren. Vor drei Jahren wurde er zum Präsidenten des Reviers Talgut gewählt. Ihm gefällt es, selbst etwas anzupflanzen, das er hegen und pflegen kann. Produkte aus dem eigenen Garten zu verzehren oder zu verschenken, macht Freude. In der Pünt schätzt er die gute Kameradschaft unter Kollegen. Man kann mit der Familie ein schönes Wochenende verbringen, grillieren und einfach das Zusammensein geniessen.

Auch Giuseppe betont das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Pünt gibt ihm eine feste Tagesstruktur. Hier findet er immer jemanden für einen kleinen Schwatz bei einer Tasse Espresso aus der Bialetti Maschine. Die Pünt, die er seit 18 Jahren besitzt, ist sein geliebter Zeitvertreib. Sein Vater hatte in Italien Felder, die er bewirtschaftete. Der Bezug zum Bauern liegt also bei ihm in der Familie. Augenfällig ist die multikulturelle Prägung des Areals. Landesfahnen verschiedener Nationen wehen in den Parzellen. M. Bertolotti meint, es gebe sicher über 10 Nationen auf den Arealen. Probleme sehe er nicht gross, man komme miteinander aus.

Die Pächterinnen und Pächter hielten sich mehrheitlich an die Regeln, sodass selten Verwarnungen ausgesprochen werden müssen.

Das jährliche Püntenfest ist stets gut besucht. An Hilfsbereitschaft mangle es nicht, so gibt es eine Helferliste mit Freiwilligen, die sich für nötige Gemeinschaftsarbeiten zur Verfügung stellen. Man helfe sich sowieso untereinander.

Wichtig ist, dass die Pünten biologisch bewirtschaftet werden. Dies bedeutet, dass man sich an die FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) Positivliste hält. Somit sollen keine chemischen Dünger verwendet werden.
Der Verein bietet den Hobbygärtnerinnen und -gärtnern als Hilfe verschiedene Kurse an, etwa Bodenkunde, Klimagärtnern oder Kompostieren.

Rafael und Susi haben ihre Pünt vor zwei Jahren übernommen. Zuerst war Susi die treibende Kraft. Ein Kollege hatte ihr an ihrem früheren Wohnort gezeigt, wie man auf einer Terrasse erfolgreich gärtnern kann. So hat sie sich später für eine Pünt in Winterthur interessiert. Rafael und Susi war es wichtig, dass sich die Pünt in der Nähe ihrer Wohnung befindet und ruhig liegt, also nicht neben einer lärmigen Strasse.
Susi fasziniert es, wie aus Samen Pflanzen werden und dass man selbst Nahrungsmittel produziert. Ihr ist es wichtig, keine chemischen Düngemittel einzusetzen, sondern möglichst nach biologischen Richtlinien zu gärtnern. In den sorgfältig angelegten Beeten wachsen zum Beispiel Salat, Kohl, Kürbis, Tomaten, Kartoffeln, Mais, Bohnen, Rüben und Beeren.
Trauben ranken sich in der Laube empor. So schön das Pünten-Dasein ist, die Arbeit im Garten sollte man nicht unterschätzen. Das Paar geht pro Woche mindestens zweimal in die Pünt, um die Beete zu pflegen oder andere unerlässliche Arbeiten auszuführen. Ein Freund kommt oft vorbei und giesst die Pflanzen, was 1 ½ Stunden dauere. Rafaels Mutter hilft auch viel beim Jäten und bei je nach Saison anfallenden Gartenpflichten. Als berufstätige Eltern von zwei Kindern hat das junge Paar nur begrenzt Zeit, sich um die üppige Pünt zu kümmern und so sind sie froh um adäquate Hilfe.

Vor allem bei der Übernahme der Pünt gab es enorm zu tun. So hat Rafael die Bodenplatten der Pergola neu verlegt, sowie das Dach und die Pfosten erneuert.
Viel Arbeit gab auch das Konzipieren der Beete. Im Ganzen haben sie etwa 1700 Fr. in ihre Pünt investiert. Rafael und Susi sind jedoch überzeugt, dass sich die Mühe gelohnt hat. Sie lieben es, selbst anzupflanzen, handwerklich tätig zu sein und in der Pünt mit ihren Kindern, Freunden und der Familie zusammen zu sein. Und natürlich schätzen sie die Kameradschaft und Hilfsbereitschaft der Nachbarn. Zum Beispiel gibt ihnen ein älterer Püntiker Tipps oder hilft mit Werkzeugen und Pflanzen aus.

Trotz der manchmal intensiven Arbeit möchten sie ihr kleines Reich nicht mehr missen. In Anlehnung an den Philosophen Descartes (Ich denke, also bin ich) könnte für manche Püntikerinnen und Püntiker gelten: «Ich pünte, also bin ich»

Herzlichen Dank an Mario Bertolotti, Giuseppe, Rafael und Susi für ihre Bereitschaft zu den Interviews.


Quelle:
Webseite PPV
David Vogt: Maturarbeit 2009,

«Ich pünte, also bin ich.»

Text und Fotos:
Maria Luisa D’Agostini Vogt



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