Das Sprachrohr eröffnet mit dieser Ausgabe eine neue Rubrik mit dem Titel: KMU Perlen in Winterthur. Damit wollen wir aussergewöhnliche Geschäfte und Organisationen vorstellen, die langjährig in Winterthur verankert sind. Text: Raffaela Spataro

Wir wollen die Winterthurer Ladengeschäfte und Organisationen unterstützen. Im Sprachrohr erscheint ab sofort jeweils ein Portrait eines etablierten und besonderen Geschäfts.

In dieser Ausgabe stellen wir die Papeterie Schoch vor, das im Untertor an der Marktgasse seit 1882 ansässig ist. Zu diesem Zweck traf ich mich mit Urs Schoch, Verwaltungsratspräsident.

Grüezi Herr Schoch! Bitte erzählen Sie uns über die Entstehung und die Anfänge der Firma Schoch?
Die Papeterie Schoch wurde 1882 von Wilhelm Heinrich Schoch, Buchbinder-Meister aus Bäretswil gegründet.

Alle grossen Papeterien, wie in Zürich Furrer, Waser und Zumstein und in Winterthur Wachter sind in dieser Zeit gegründet worden. Und zwar entstanden sie alle als Buchbindereien. Früher schrieb man Geschäftsvorgänge von Hand und band dann die losen Blätter zusammen. Diese wurden mit Ledereinbänden und mit Goldprägungen versehen. Das war eine klassische Buchbinder-Arbeit. Die Papeterien lebten vor allem von diesem Geschäft. Eine zusätzliche Spezialität, die angeboten wurde und bis ins Süddeutsche reichte, waren verzierte Trauerschleifen. Aus dieser Buchbindearbeiten heraus sind dann weitere gebundene Artikel entstanden, wie zum Beispiel Fotobücher, Poesiealben und alles was gebunden werden kann, wie zum Beispiel heute Skizzenbücher und Notizbücher. So hat sich das Sortiment je länger je mehr entwickelt. Später sind dann Glückwunschkarten dazu gekommen und alles, was den Bürobedarf betroffen hat. Das war eine Riesenentwicklung. Alle Papeterien haben so angefangen. Als die Buchbinderei für diesen Standort zu gross wurde, sind wir ins Gebäude des heutigen Kinos Kiwi gezogen. Und hier am Untertor blieb dann die Papeterie.

War das die Zeit, in der das Unternehmen am meisten Mitarbeiter hatte?
Nein, die meisten Mitarbeiter, nämlich 140, hatten wir im Jahr 2005. Wir hatten diverse Abteilungen: Büromaterial, eine Büromöbelabteilung und einen Büromaterialversand sowie einen Innenarchitekturbereich. Im Sulzer Areal betrieben wir das Schoch-Werk-Haus. Der Büromaterialversand Material-Versand befindet sich heute noch in Ohringen. Im Zusammenhang mit meiner Nachfolgeregelung habe ich die Firma in drei Teile aufgeteilt und drei selbstständige Firmen daraus geformt, um sie meinen drei Kinder zu übergeben. Die Papeterie am Untertor wird von Karin Schoch, das Schoch Werk-Haus im Sulzer Arial von Sohn Jan Schoch und der Büromaterialversand in Ohringen (der mit einer Basler Firma fusionierte hat), von Sohn Thomas Schoch geführt. Das sind drei selbständige Firmen, sowohl finanziell, wie auch verwaltungsratstechnisch unabhängig.

Wir waren damals die erste, die dem Sulzer Areal Leben eingehaucht haben, als wir eine Halle übernahmen und sie mit unseren eigenen Architekten planten und sanierten, um darin auf eine Fläche von circa 1000 Quadratmetern eine Büromöbel-Ausstellung einzurichten. Das hat sehr gut ausgesehen, weil die Halle über 8 Meter hoch war und wir die ganze alte Struktur haben stehen lassen.

Sind Sie und Ihre Frau aus Winterthur?
Ich bin Winterthurer und meine Frau stammt aus Hamburg.

Sie arbeiten immer noch in der Papeterie?
Nein, ich komme gern hier her, um meine privaten Arbeiten zu machen und so kann ich mit meiner Familie in Kontakt bleiben. Das Geschäft liegt uns sehr am Herzen. An diesem Standort hat der Firmengründer begonnen und Sie kennen ja die Schwierigkeiten des heutigen Detailhandels. Wir müssen alles daransetzen, dass die Papeterie Schoch an diesem Standort bleiben kann. Früher waren in der Nachbarschaft alle selbstständigen Unternehmer, nun sind wir das einzige inhabergeführte Unternehmen in der eigenen Liegenschaft am Untertor, die anderen sind alles Filialen. Überleben in der heutigen Zeit ist nicht einfach, deshalb haben wir einen Teil des Ladengebäudes untervermietet und in den oberen Stockwerken vermieten wir Wohnungen.

Was planen Sie für die Zukunft?
Wir müssen täglich strampeln. Das Ziel ist es den das Unternehmen in die fünfte Generation zu führen; glücklicherweise interessiert sich meine Enkelin schon dafür. Wir versuchen, das zu erreichen durch eine stetige Anpassung des Sortiments, durch eine exzellente Kundenberatung d. h. wir wollen die Kunden überraschen und mehr bieten als sie erwarten.

Beschreiben Sie kurz das Sortiment am Untertor.
Insgesamt führen wir bis 30’000 Artikel. Im Parterre bieten wir Geschenkartikel an, wie zum Beispiel: speziell schöne Agenden, Aktentaschen Ledertaschen. Mitbringsel, Geschenkpapier in allen Farben. Zudem haben wir ein Füllfederhaltersortiment. Interessant ist, dass jetzt ein Gegentrend im Bereich Schreibkultur am Entstehen ist. Man möchte wieder Briefe schreiben mit einem schönen Füllfederhalter und auf schönem Papier. Schauen Sie mal diesen schönen Füllfederhalter an, so eine Feder ist ein Genuss, aussen Rotgold innen Weissgold, die Feder ist mit einem Ornament verziert. Das ist eine wahre Freude
Sprachrohr: Einen von Hand mit dem Füllfederhalter geschriebenen Liebesbrief zu erhalten ist natürlich heutzutage schon etwas Besonderes. Kein Vergleich mit der Erhalt einer E-Mail!

Im ersten Stock befinden sich Büro-Materialbedarf und Schulmaterialbedarf.
Zudem haben wir im Raum Winterthur eine bestens ausgebaute Malbedarf-Abteilung. Wir führen Farbmaterialien und Pinsel, beispielsweise auch Marderschwanzhaar-Pinsel, Zeichnungspapier usw. Der Malbereich und der Schulbereich sind etwas überschneidend.

Ebenfalls im ersten Stock bieten wir den Kunden einen Dienstleistungsbereich an. Die Kund**Innen können selbstständig, kopieren, schneiden, laminieren, stanzen. Auch fertigen wir ganze Diplomarbeiten an. Da kommen Student**Innen mit USB-Sticks vorbei und wir fertigen nach Wunsch Ihre Diplomarbeit. An Spitzenzeiten kann es vorkommen, dass Wartezeiten entstehen. Es lohnt sich einen festen Termin zu vereinbaren. Diplomarbeiten sind ein grosses Business für uns. Wir führen ein grosses Sortiment an Bild-Kalendern, fast 800 Exemplare haben wir hier im Laden mit Motiven wie Tiere, Pflanzen, Menschen, Bergen, Ländern ect.. Vielfach werden diese Bild-Kalender als Geschenke verwendet. Die klassischen Schweizer Bild-Kalender haben wir bereits ab Mai und Juni im Geschäft. Diese werden vielfach ins Ausland geschickt als Geschenk. Wir bieten dazu schöne Versandkartons an.

Heute ist übrigens ein ganz spezieller Tag bei uns. Hauptsaison sind normalerweise Weihnachten und Schulanfänge. Heute ist der Schulanfang der ZHAW. Auf das sind wir gut vorbereitet. Wir konsultieren vorgängig die Lehrer**Innen und fragen nach dem Bedarf der Schüler**Innen. Es kann vorkommen, dass neue Lehrer**Innen einen anderen Bedarf an Schulmaterial haben.

Wie viele Angestellte arbeiten jetzt in Untertor?
Zwei Lehrlinge haben wir pro Jahrgang. Insgesamt sind wir fünf Leute, normalerweise beträgt der Personalbestand achzehn Personen.

Wie gehen Sie mit Klimawandel und Nachhaltigkeit um?
Mit umweltschonendem Papier waren wir schon sehr früh dabei, damals war das Papier auch recht gräulich, heute sieht die Qualität schon viel besser aus. Wir führen sehr viele umweltzertifizierte Artikel. Die Umwelt ist uns ein Anliegen.