Quo vadis Quartiertreff

Eigentlich hätte dieser Artikel ein Doppelinterview werden sollen mit Bruno Prandi, dem aktuellen Präsidenten des Quartiervereins Gutschick-Mattenbach und Heinz Bächinger, Gründungsmitglied und allererstem Vizepräsidenten des Vereins, anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Quartiervereins. Über vergangene Zeiten, Anekdoten, aktuelles Befinden und die Zukunft.
Entstanden ist ein Gespräch darüber, was der Quartierverein einmal war, wie viel Freude er bereitete, wie viel Gemeinschaftsgefühl er stiftete. Es zeigte sich aber auch, als was er heute empfunden wird: viel administrative Arbeit und Verantwortung, und das mit wenig Zeit und Geld, denn alles sollte auf ehrenamtlicher Basis passieren. Was dazu führte, dass der aktuelle Präsident Bruno Prandi sein Amt nach nur einem Jahr wieder abgibt.

Bruno Prandi und Heinz Bächinger, Foto zVg

Damals
Heinz Bächinger wohnte während zehn Jahren im Gutschick-Quartier und während fast so vieler war er Vizepräsident des Vereins. Gemeinsam mit vier weiteren Kollegen gründete er 1972 den Verein (mehr zur Gründung lesen sie auf Seite XX). «Wir setzten uns jeweils in der Gaiwo, zusammen. Vier von fünf rauchten im geschlossenen Raum Pfeife! Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen», meint Heinz Bächinger schmunzelnd. Er scheint sich gerne an damals zu erinnern. An die Gründungszeit, das erste Quartierfest, das zu einem grossen Erfolg wurde und schliesslich an das eigene Quartierzentrum mit all seinen Veranstaltungen.

«Das Highlight war das erste Quartierfest, in der Garage. Am Freitag stellten alle ihr Auto weg. Ich erinnere mich an einen Mann: Er half tatkräftig mit Festbänke zu tragen und aufzustellen. Mitgefeiert hat er dann nicht, aber morgens um drei stand er wieder da um aufzuräumen. Feiern, das sei nichts für ihn, sagte er, aber mithelfen, das würde er. Das werde ich nie vergessen.»

Was stand denn damals so auf dem Veranstaltungsplan? «Makrame-Kurse, das war in Mode, aber auch Mittagstische, Kinderkleiderbörse, später ein eigenes Kafi. Es lief von Beginn weg gut, man hatte das Gefühl, die Leute haben darauf gewartet, dass es so etwas gab. Weshalb? Wegen dieser gewissen Anonymität, die in den Häusern herrschte. Im Nu zählte der Verein 300 Mitglieder.»

Heute
Heute sieht das anders aus: Der Verein ist auf fast die Hälfte geschrumpft und zählt nur noch 172 Mitglieder. «300 Mitglieder – diese Zahl hatte ich gelesen und hatte ich mir als Ziel gesetzt, dass ich diese unbedingt wieder erreichen will», meint Bruno Prandi. Vor knapp einem Jahr hat er gemeinsam mit fünf weiteren Kolleg*innen den Vorstand komplett neu aufgestellt.

Neumitglieder fliegen einem jedoch nicht einfach so zu. Man muss sich aktiv um sie bemühen und dies am einfachsten über ein attraktives Veranstaltungsangebot. Doch: Einen fixen Veranstaltungskalender gibt es im Moment aufgrund von Corona und dem Wechsel im Vorstand nicht. Erst das Kafi, das es bereits in früheren Jahren gab, kommt langsam wieder ins Rollen.

Zudem waren die neuen Vorstandsmitglieder in den vergangenen Monaten mit anderen Problemen beschäftigt. Denn, was ausdrücklicher Wunsch des Vereins und Heinz Bächinger, damals ebenfalls Mitglied im Gemeinderat, war, wird heute als grosse Bürde und viel Arbeit empfunden: Die 1976 eröffnete Freizeitanlage mit ihren vielen Räumen.

Das Gebäude gehört der Stadt. Die Verwaltung dessen liegt beim Vorstand und geschieht ehrenamtlich. Von der Stadt bekommt der Verein jährlich 16’000 Franken zur Bewirtschaftung.

«Der Beitrag der Stadt deckt kaum die Heiz- und Stromkosten. Wegen der Vermietungen, dem Jugendtreff und der Spielgruppe muss die Anlage sauber gehalten werden. Dafür ist Personal angestellt: zwei Hauswarte, eine Putzequipe, eine Person, die das Vermietungsgeschäft koordiniert. Alle in kleinen Pensen, aber das bedeutet Kosten, egal wie hoch die Mieteinnahmen sind. Diese sind im Moment pandemiebedingt kaum vorhanden. Und es bedeutet, dass wir als Verein auch Arbeitgeber sind, für Personal verantwortlich sind und dieses betreuen müssen. Hinzu kommen gestiegene Anforderungen an das Vermietgeschäft: du kannst heute keinen Raum ohne Internet vermieten. Die Stadt sagt, das sei nicht ihre Aufgabe. Also mussten wir uns auch darum kümmern. Kabel verlegen, Wlan installieren, Hellraumprojektoren entsorgen und Beamer und Tonanlage anschaffen.»

Ein Pensum von 40 bis 60 Prozent investierte Bruno Prandi im vergangenen Jahr in die Vorstandsarbeit, nebenberuflich und ehrenamtlich. So kommt es, dass Bruno Prandi nach nur einem Jahr auf die Mitgliederversammlung am 26. März seinen Rücktritt bekannt gibt. Ein Schritt, der ihn grosse Überwindung gekostet hat, für ihn aber zum jetzigen Zeitpunkt absolut notwendig ist. Denn er ist ausgebrannt.

«Ich habe es bestimmt übertrieben und hätte einiges vielleicht weniger genau machen können, aber ich mache keine halben Sachen und kann schlecht ausblenden, was noch zu tun ist. Ich bin froh, dass wir in den letzten zwölf Monaten so viel geschafft haben und der Verein an einem Punkt ist, wo er weiter funktionieren kann. Das macht es für mich etwas leichter, meine Position aufzugeben.»

Zukunft?
Das Hauptproblem? Der Aufwand für den Unterhalt dieses Gebäudes ist enorm und übersteigt definitiv das Mass dessen was in Freiwilligenarbeit zu leisten ist. Der Aufwand ist zudem so gross, dass er kaum Zeit lässt für anderes. Und auch wenn er den Quartiertreff als Angebot schätzt, dass die Leute mit kleinen Wohnungen einen Ort haben, an dem sie grosse Familienfeste feiern können:

«Das ist nicht Quartierarbeit, das ist nicht das, was wir eigentlich tun sollten. Deswegen frage ich mich, wie ist diese Bürde an Quartierzentrum stemmbar – und durch wen? Dies herauszufinden wird unsere Herausforderung für dieses Jahr sein.»

Wenn Bruno Prandi «wir» sagt, schliesst er sich ein, aber höchstens als Vorstandsmitglied, nicht mehr als Präsident. So kommt für den jetzigen Vorstand eine weitere Herausforderung dazu: der Quartierverein Gutschick-Mattenbach sucht einen neuen Präsident*in.

Nimmst du die Herausforderung an?