Zurzeit läuft der Film «Welcome to Zwitscherland» von Marc Tschudin in den Schweizer Kinos. Ein überraschender Blick auf das Land und seine Eigenheiten. Im Mittelpunkt: das Federvolk.

«Immer wieder habe ich es bereut», lacht Marc Tschudin. Zum Beispiel als er 36 Stunden im Tarnzelt mitten im Tannenwald ausgeharrt hat, ohne auch nur eine Sekunde den Auerhahn vor die Linse zu bekommen. Oder beim Versuch, Spatzen beim Sandbaden zu drehen – zwischen Zürichs Einkaufsmeile und dem Alkoholikertreff. Oder als sich ein Vogelfotograf demonstrativ auf einen schneebedeckten Balzplatz hockte, um die Filmaufnahmen zu sabotieren. Für seinen ersten Kinofilm hätte sich der Dokumentarfilmer bestimmt umgänglichere Akteure aussuchen können. Aber irgendwie sagen auch solche Begleitumstände etwas über das Land aus, um das es im Film geht: «Die Schweiz ist eben nicht nur Bilderbuch, sie ist auch schrullig, zuweilen sperrig und immer wieder für eine Überraschung gut», so seine Erlebnisse bei den Dreharbeiten.

Von den Strapazen ist in seinem Kinofilm nichts zu spüren, von den Helvetischen Eigenheiten freilich schon. Der Filmemacher und Biologe widmete die letzten drei Jahre diesem cineastischen Projekt, das den Alpenstaat mitten in Europa auf eine ganz neue Weise portraitiert: Unter Einbezug einer Gattung, die zwar allgegenwärtig ist, gleichwohl aber oft übersehen und häufig auch überhört wird – die der Vögel. Marc Tschudins Film verblüfft, verzaubert, irritiert und lässt die Zuschauer lächelnd staunen, wenn er mit liebevoller Ironie in ästhetischen Bildern auf die Schweiz mit all ihrer Vielfalt blickt: der landschaftlichen, kulturellen und eben der gefiederten.

Eine Geschichte von Abschied und Ankommen
In Welcome to Zwitscherland begibt sich die Erzählstimme als unsichtbare und doch emotional präsente Protagonistin auf die Suche. Nach dem Tod einer wichtigen Bezugsperson kommt sie in die alte Heimat zurück, mit dem Wunsch, zu verstehen: Den Verstorbenen und das Land, aus dem sie stammt. Eintauchend in seine Aufzeichnungen und ihre eigenen Erinnerungen, beginnt eine ungewöhnliche Tour de Suisse, die begeistert und nachdenklich stimmt.

Szenen mit schwärmenden Zugvögeln, donnernden Kampfpanzern, auf Wellen schaukelnden Enten, tanzenden Menschenmengen, trommelnden Spechten und glockenschweren Alpaufzügen veranschaulichen die Parallelwelten zwischen Genfer- und Bodensee, Rhein und Ticino, Jura und Engadin.

«Die Schweizer  Vielfalt in der Natur und Kultur ist einzigartig», zeigt sich Marc Tschudin überzeugt. Dieses Bewusstsein gehe im Alltag allerdings schnell unter, weil es selbstverständlich scheint. «Der Blick von aussen, eine andere Perspektive hilft, die Wahrnehmung zu schärfen. Zum Beispiel, indem man eine Zeit lang auf Vögel achtet.» Genau das visualisiert er in seinem neusten Film. Die Idee dazu entstand vor ein paar Jahren während der Arbeiten zum Ausstellungsfilm für das Besuchszentrum der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach.

Der Forscher und seine Fragen
Der gebürtige Basler wollte einst Archäologe oder aber Biologe werden; von Expeditionen in abgelegene Wüsten und Urwälder hatte er geträumt. Er entschied sich für das Biologie-Studium, das ihn schlussendlich in die Welt der Medien führte, vom Printjournalismus über die Fotografie zum Film. Das Besondere, das Irritierende oder gar Abgründige im Alltäglichen wollte er entdecken, kleine Dinge, die zu grossen Zusammenhängen führen, auch

für seinen neusten Film war das der Antrieb. Welcome to Zwitscherland.