Stadtrats-Ersatzwahl Winterthur 2017

Von links: Jürg Altwegg, Barbara Huinzinga, Christa Meier, Daniel Oswald, Michael Zeugin

Anlässlich des Rücktritts von Matthias Gfeller (Grüne) wählt Winterthur am 12. Februar 2017 einen neuen Stadtrat oder eine neue Stadträtin. Fünf Kandidaten kämpfen um den freiwerdenden Sitz. Über die jeweiligen Chancen in Bezug auf die Kandidatenlisten der Unterstützungskomitees, etwaige Bündnisse oder über die Absichten von CVP und FDP, die keine eigenen Kandidaten ins Rennen schicken, wurde in den Medien ausführlich debattiert. Letztlich wird aber entscheidend sein, welche Wahlversprechen bei den Stimmbürgerinnen- und Bürger überzeugen. Das SR war in den Quartieren: Gutschick, Endliker, Breiti und Pflanzschule unterwegs und hat 50 zufällig ausgewählte, stimmberechtigte Passanten gefragt, was sie von den jeweiligen Kandidaten erwarten, bevor sie sich auf eine Person festlegen möchten.

Auffallend ist dabei, dass bei den Wählern aus allen Quartieren mehr oder weniger die gleichen Anliegen vorherrschen. Dies waren die sieben Hauptanliegen, mit denen wir die Protagonisten interviewt haben.

1 «Ich bin Winterthur»: Passt diese Aussage zu Ihnen und wenn ja, weshalb?

Jürg Altwegg: Das ist doch etwas arg verkürzt und könnte falsch verstanden werden. Ich würde lieber sagen: «Ich bin ganz und gar für Winterthur». Im Sinne von: Diese Stadt liegt mir am Herzen und ich will mich mit all meinem Wissen und Können für sie einsetzen.

Barbara Huinzinga: Ich präzisiere: ich bin eine Winterthurerin. Eine von vielen. Unsere Stadt hat den grossen Reichtum einer vielfältigen und innovativen Bevölkerung. Das begeistert mich. Wir Winterthurer sind gleichwertig nicht aber gleichförmig und daher keinesfalls in einen Topf zu werfen. Dieser Vielfalt gilt es Sorge zu tragen. Daher braucht es eine ausgewogene Vertretung in der Stadtregierung unter Einbezug aller Kräfte. Dafür setze ich mich ein.

Christa Meier: Ich bin in Winterthur aufgewachsen und habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Ich identifiziere mich weitgehend mit dieser Stadt. «Ich bin Winterthur» finde ich aber doch etwas anmassend, denn Winterthur ist selbstverständlich noch viel mehr als ich…

Daniel Oswald: Ja diese Aussage passt durchaus. Ich bin im Jahr 2000 mit meiner Familie nach Winterthur gezogen. Diesen Entscheid habe ich nie bereut. Meine Familie und ich engagiert sich in verschiedenen Vereinen. Und ausserdem ist es mir völlig egal, dass Winterthur kein See hat. Winterthur hat viele Schätze die erkundet werden können. Machen wir etwas aus dem was wir haben.

Michael Zeugin: Ja, denn Winterthur ist weltoffen, tolerant und zuversichtlich. Zu den Merkmalen der Winterthurerinnen und Winterthurern gehören hohe Eigenverantwortung und grosses gesellschaftliches Engagement. Ohne dieses Engagement würde die Stadt nicht funktionieren.

2 Wenn Sie die Chance hätten, was würden Sie politisch in Winterthur sofort ändern?

Jürg Altwegg: «Sofort» gibt es in der Politik leider nicht – ein Umstand der mich zu Beginn meines politischen Engagements sehr gestört hat. Unterdessen finde ich das eine Qualität: Die unterschiedlichen Kräfte müssen sich an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung finden. Das dauert mitunter etwas länger. In Winterthur müssen wir daran arbeiten, unsere Lebensqualität zu erhalten. Dazu gehören die Weiterbildungsstadt, die Gartenstadt und die Velostadt.
Im Bereich der Energienutzung gibt es noch viel Potenzial – setzen wir es um!

Barbara Huinzinga: Ich würde mich für eine schnellere und nachhaltigere Ablösung aus der Sozialhilfe einsetzen, durch eine engere Fallführung bei einer gleichzeitigen Förderung von Arbeitgebern, die durchlässige Arbeitsmodelle von der Beschäftigung bis hin zum ersten Arbeitsmarkt anbieten. Langfristig kann damit sowohl eine Perspektive für die Betroffenen, als auch eine Senkung der städtischen Ausgaben erreicht werden.

Christa Meier: Ich würde dafür sorgen, dass es im Kanton einen fairen Zentrums- und Soziallastenausgleich gibt. Mit einer gerechten Verteilung der Kosten, die im Kanton anfallen, sich aber in den Städten konzentrieren, hätten wir wieder einen sehr viel grösseren finanziellen Spielraum.

Daniel Oswald: In unserem politischen System ist «Sofort» nicht möglich. Das ist auch gut so. Ich würde aber bei der Verkehrsinfrastruktur Änderungen vornehmen. Mit dem Ausbau der Autobahn auf sechs Spuren würde die Stadt Winterthur von Ausweichverkehr befreit.

Michael Zeugin: Ich würde 100 innovative, junge Firmen ansiedeln – denn die Startups von heute sind die Champions von morgen. Zudem hat eine Firma, die in Winterthur gegründet wurde und hier ihren Hauptsitz hat, einen besseren und engeren Bezug zur Stadt. Winterthur profitiert also nicht nur in Form von Arbeitsplätzen und Steuern, sondern auch vom Engagement dieser Firmen in Bezug auf Gesellschaft, Kultur und Sport.

3 Warum sollten die Mattenbacher Stimmberechtigten für Sie stimmen?

Jürg Altwegg: Das Quartierleben ist für Winterthur wichtig. Als Stadtrat muss ich aber die ganze Stadt im Fokus haben. Eine bevorzugte Behandlung von einzelnen Quartieren kommt für mich nicht in Frage. Die Mattenbacherinnen und Mattenbacher profitieren aber genauso wie andere Stadtkreise von einer ökologischen Politik: Beste Busverbindungen, gute Bahnverbindungen, sichere Velowege oder eine umweltschonende Wärmeversorgung dienen uns allen.

Barbara Huinzinga: Da ich mitten im Quartier zu Hause bin, lebe ich nah am Puls der Mattenbacher. Meine Kinder gehen hier zur Schule, ich verbringe meine Freizeit hier, erledige in der Migros Deutweg meine Einkäufe und habe zahlreiche Kontakte in der Nachbarschaft. Daher bin ich offen, interessiert und engagiert, Anliegen direkt aus meinem Quartier als Sprachrohr in die politische Arbeit zu tragen resp. zu vertreten.

Christa Meier: Weil ich mich ganz besonders für lebendige Quartiere engagiere. Im Mattenbach gibt es diverse Vereine, die sich für Lebensqualität, für Integration und für ein gutes Zusammenleben einsetzen. Ich setze mich dafür ein, dass diese zahlreichen Freiwilligen bei der Stadt ein Gegenüber haben, welches ihnen auf Augenhöhe begegnet, ihre Anliegen aufnimmt und ihnen die nötige Infrastruktur bereitstellt.

Daniel Oswald: Wir in Winterthur haben die höheren Stromgebühren als die Kunden der EKZ. Ich will mich deshalb für tiefere Stromgebühren einsetzen. Davon profitiert jeder Haushalt und somit jede Einwohnerin und jeder Einwohner von Winterthur.

Michael Zeugin: Wer hier lebt, schätzt an Winterthur das Urbane in unmittelbarer Nähe zur Natur. Dazu kommt die gute Erschliessung mit Bus und Velowegen, Schulhäusern und Kindergärten. Die fortschrittliche, langfristige und umweltfreundliche Entwicklung der Winterthurer Quartiere lag mir schon als Gemeinderat immer sehr am Herzen. Auch als Stadtrat würde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Stadt für alle schön und lebenswert ist.

4 Wie würden Freunde Ihren Führungsstil beschreiben?

Jürg Altwegg: kommunikativ, lösungsorientiert, zielgerichtet, konsequent, fair

Barbara Huinzinga: Ich pflege eine offene Kommunikationskultur, mit der richtigen Mischung von Ziel und Menschenorientierung. Meine Freunde würden meinen Führungsstil daher als kooperativ bezeichnen.
Christa Meier: Sie sagen, dass ich sehr lösungsorientiert bin. Mir ist es wichtig, alle Beteiligten in einen Lösungsprozess einzubeziehen, weil ich davon überzeugt bin, dass die Ergebnisse dann breit akzeptiert und tragfähig sind, wenn alle sich ernst genommen fühlen und sie bei der Erarbeitung beteiligt waren. Ausserdem möchte ich die Ressourcen, die in einem Team vorhanden sind, wirkungsvoll einsetzen.
Dennoch muss am Schluss ich als Führungsperson die Verantwortung tragen und darum auch im Zweifelsfall entsprechend eigenständig einen Entscheid treffen.

Daniel Oswald: Ich führe Ziel- und leistungsorientiert. Jeder soll auch genügend Freiraum haben um seinen eigenen Weg zum Ziel zu finden. Und wenn es erforderlich ist, kann ich auch ganz bestimmt auftreten. Es ist halt immer eine Frage der Situation.

Michael Zeugin: »Er führt zielorientiert, setzt die richtigen Prioritäten, baut auf Stärken und kann jedes Teammitglied zu seiner Bestleistung motivieren.”

5 Was ändert sich mit Ihrer Wahl konkret in der Stadtregierung?

Jürg Altwegg: Der Stadtrat hat in den letzten Jahren viel und Gutes geleistet. Das ist hochzuhalten. Als einer von sieben werde ich wohl keine Revolution anzetteln – das war nie mein Ziel. Was mir aber wichtig erscheint, ist die Zusammenarbeit innerhalb des Gremiums, das in den letzten Monaten nicht immer optimal gelaufen ist. Ich will meine kommunikative Ader einsetzen, um hier einen Beitrag zur Verbesserung zu leisten.
Inhaltlich will ich mich dafür einsetzen, Winterthur vorwärts zu bringen. Unerschrocken auch etwas Neues ausprobieren und die Stadt für innovative Firmen zum Wunschstandort entwickeln. Ein attraktives Winterthur definiert sich dabei nicht primär über Steuerfuss und Anzahl Parkplätze. Sondern über das Wohlbefinden der hier lebenden Personen und eine zeitgemässe Infrastruktur. Meine Erfahrungen beim Aufbau eines «kleinen Dorfes», das Mehrgenerationenhaus Giesserei, sollen Winterthur zur Verfügung stehen.

Barbara Huinzinga: Meine Stärke ist die Einbindung aller Kräfte im Findungsprozess von tragfähigen Lösungen. Konkret: als Mittepolitikerin ist für mich die Nachhaltigkeit und breite Abstützung von Entscheiden, über die Parteigrenzen hinaus, von zentraler Bedeutung.

Christa Meier: Mit mir bekommt der Stadtrat ein Mitglied, das offen und kommunikativ ist, das sich für die Stadt und für die Menschen, die hier leben, interessiert und engagiert. Mit meiner Wahl würde ein weiterer Rechtsrutsch verhindert.

Daniel Oswald: Die finanzielle Situation in Winterthur ist alles andere als gut. Wir haben rund 1‘100‘000‘000 Franken Nettoschulden. Ich will mit meinen Kollegen die jährlichen Ausgaben senken und die Schulden reduzieren.

Michael Zeugin: a) Der Stadtrat erhält eine frische Kraft für eine solide Mitte. Durch die breitere Abstützung kann auch strategisch ausgewogener vorausgeschaut werden. b) Die Winterthurerinnen und Winterthurer erhalten einen engagierten und aktiven Politiker, der sich voll und ganz für die Interessen der Stadt Winterthur einsetzt, und …
c) … einen Stadtrat, der wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer Verantwortung verknüpfen kann. Diese Erfahrung habe ich als Verwaltungsrat der EcoRenova AG und als Präsident des Vereins «Filme für die Erde» mehrfach erfolgreich bewiesen.

6 Wo sehen Sie, spezifisch für den Stadtkreis Mattenbach, die aktuell grössten Herausforderungen, die Sie auch nach der Wahl mit Nachdruck angehen möchten?

Jürg Altwegg: Siehe meine Antworten auf Frage 3.

Barbara Huinzinga: Das Busdepot mit seiner Asylunterkunft wird uns in Zukunft sozialpolitisch sicher beschäftigen, ebenso WinCity mit seinen Umbauplänen in der Sportanlage Deutweg und nicht zuletzt die Thematik der optimalen Nutzung des Schwimmbades
Geiselweid.

Christa Meier: Der Stadtkreis Mattenbach war, ähnlich wie Töss und Wülflingen, besonders betroffen von den Kürzungen in der Quartierentwicklung. Mir ist es ein grosses Anliegen, den Dialog mit den Vereinen und Interessensgruppen zu pflegen.
Zu einem aktiven Quartierleben gehört auch, dass die Schulen gut eingebettet sind und Elternräte und Quartiervereine einen guten Austausch pflegen. Dazu braucht es sensibilisierte und engagierte Schulleitungen.

Daniel Oswald: Im Stadtkreis Mattenbach stehen zwei grössere Projekte an. Einerseits wird WinCity gebaut und im alten Busdepot stehen ebenfalls umfangreich Veränderungen an. Aber auch die Realisierung der Querung Grüze wird, wenn auch nicht direkt im Quartier gelegen, Einfluss auf den Stadtkreis Mattenbach haben. Es ist sehr wichtig, dass diese Projekte in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz finden. Der Stadtkreis Mattenbach ist über die Achse Ohrbühl, Deutweg, Breitestrasse auch massiv vom Schleichverkehr betroffen. Nebst dem bereits erwähnten Ausbau der Autobahn auf 6 Spuren muss auch bei den städtischen Hauptachsen die Kapazität erhöht werden. Nur so kann der öffentliche und der private Verkehr auf unseren Strassen vorwärts kommen.

Michael Zeugin: Ein aktives, vielfältiges Quartierleben unter Einbezug verschiedener Kulturen, aber auch gute Einkaufsmöglichkeiten bilden die Voraussetzung für ein intaktes Quartier mit hoher Sicherheit und guter Lebensqualität. Im Stadtrat würde ich mich dafür einsetzen, dass diese Qualitäten erhalten bleiben und nach Möglichkeit ergänzt werden können.

7 Was lernen Sie persönlich aus der Wärmering-Affäre Ihres Vorgängers?

Jürg Altwegg: Frühzeitig nach aussen zu kommunizieren und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Departements zu ermuntern, Fehler sofort offen zu legen, damit wir gemeinsam nach Lösungen suchen können.

Barbara Huinzinga: Erfahrung schützt vor Fehlern nicht. Parallel zum Vertrauen in die Mitarbeiter ist bei den kritischen Punkten eine Kontrolle unabdingbar. Eine offene und transparente Kommunikation ist dabei ein Erfolgsfaktor und fördert die Eigenverantwortung in den Schlüsselpositionen. Schliesslich sind die Zuständigkeiten klar zu regeln.

Christa Meier: Bei der Wärmering-Affäre sind einige Dinge falsch gelaufen. Einerseits funktionierte das interne Controlling nicht. Diese Abläufe wären eigentlich vorgeschrieben. Für mich ist darum ganz klar, dass das Interne Kontrollsystem konsequent angewendet werden und regelmässig überprüft werden muss. Dies einerseits innerhalb der Verwaltungsabteilung, aber auch innerhalb des Stadtrates. Andererseits war die Wärmering-Affäre auch auf der Kommunikations-ebene ein Desaster. Hier muss dringend eine Fehlerkultur entwickelt werden, die es erlaubt, Verfehlungen anzusprechen und angemessen darauf reagieren zu können. Insbesondere dem Stadtrat und der zuständigen Gemeinderatskommission gegenüber braucht es dringend mehr Transparenz und ein Vertrauensverhältnis, welches die nötige Offenheit erlaubt.

Daniel Oswald: Die Wärmeringaffäre hat viele meiner Erfahrungen bestätigt. Risikoprojekte müssen von der obersten Führung im Interesse Aller eng begleitet werden. Mögliche Probleme muss man proaktiv angehen.

Michael Zeugin: Es braucht mehr Klartext. Probleme gibt es überall. Aber wenn diese nicht unmittelbar und offen angesprochen werden, können auch keine Lösungen erarbeitet werden.