Winterthur spart sich ein weiteres nationales Erbe ab!
Was bewegt Menschen, in ihrer Freizeit eine alte Dampfmaschine, einen verlotterten Personenwagen, ein abgewracktes Schiff in Hunderten von ehrenamtlichen Arbeitsstunden von Schmutz und Rost zu befreien, wieder funktionsfähig herzurichten und in neuem Glanz erstehen zu lassen?
Die heutige, rasend schnelle Entwicklung scheint dem unerschütterlichen Fortschrittsglauben zum Trotz in manchem von uns eine gewisse Nostalgie nach Techniken und Errungenschaften aus der Zeit unserer Grossväter zu wecken. Dabei spielt auch die Rückbesinnung auf die eindrücklichen Leistungen früherer Generationen mit, die z.T. mit beschränkteren Mitteln technische Meisterwerke von Weltruf schufen. Hinzu kommt, dass uns alte Geräte und Maschinen in ihrer Funktion meist verständlicher erscheinen als ein elektronisches Gerät, bei dem die Arbeitsgänge sich innerhalb einer geheimnisvollen Platine abspielen. Während hier auf einem Display ein fertiges Resultat ausgespuckt wird, ohne dass man von aussen nachvollziehen kann, wie es zustande gekommen ist, erscheint uns die Arbeitsweise einer Dampfmaschine mit all ihren Hebeln, Gestängen und Rädern augenfälliger.
Der Wunsch, alte Techniken zu erhalten oder wieder aufleben zu lassen, hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass gerade in Industriestädten wie Winterthur Maschinen und Fahrzeuge für alle Welt entwickelt und gebaut wurden (Lokomotiven von SLM, Dampfmaschinen und Turbinen von Sulzer, Textilmaschinen von Rieter etc.). Nicht zuletzt waren es unter anderen diese Erzeugnisse, die den Grundstein für den Wohlstand und die Ingenieurskunst der heutigen Zeit legten.
Mit der Übernahme des Vaporama- Inventars verpflichtete sich vor ein paar Jahren der Verein Dampfzentrum Winterthur, die Exponate in geeigneten Räumen zu unterhalten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. In den ehemaligen Werkhallen der Fa. Sulzer entstand so ein Museum mit Schwerpunkt dampfgetriebene Maschinen. Präsentiert werden stationäre Dampfmaschinen, Schiffsantriebe, Dampflokomotiven bis hin zur Dampfwalze.
Wie bei ähnlich gelagerten Institutionen spielen finanzielle Mittel, Sponsoring sowie geeignete Lokalitäten eine sehr wichtige Rolle. Es genügt nicht, wenn ein paar Enthusiasten und Vereinsmitglieder Fronarbeit leisten, denn die Energiekosten, Mieten und Unterhalt verschlingen Unsummen, sodass man auf öffentliche und private Spenden angewiesen ist. Unterbleibt die Unterstützung durch die öffentliche Hand, droht all diesen Bemühungen bald einmal das vorzeitige Aus, wie sich die Situation auch beim Dampfzentrum abzuzeichnen beginnt. Die Stadt Winterthur scheint nicht genügend Ressourcen aufwenden zu wollen, um einen beachtlichen Teil ihres historischen Erbes zu erhalten, was in der Folge auch potentielle Sponsoren verschreckte.
Der Verein Dampfzentrum Winterthur sah sich in der Folge gezwungen, einen Teil des Inventars auszulagern, um die angemietete Fläche kleiner zu halten und Kosten zu sparen. Am 19. April 2016 wurde ein beachtlicher Teil der Sammlung in ehemalige Postwagen verladen und gezogen von einer Dampflokomotive für unbestimmte Zeit nach Schaffhausen transportiert. Wie sich die Entwicklung und das weitere Überleben dieses einzigartigen Museums gestalten werden, ist nach wie vor ungewiss. Es bleibt nur zu hoffen, dass uns dank grosszügiger Unterstützung Zeugen einer wichtigen Epoche in der industriellen Fertigung erhalten bleiben.
Vielleicht haben Sie Interesse, mit Freunden oder im Zusammenhang mit einem Firmenanlass das Dampfzentrum Winterthur zu besuchen, um mehr über die industrielle Hochblüte Winterthurs wie auch über die Dampftechnik und ihre vielfältigen Anwendungen zu erfahren. Ein vermehrtes öffentliches Interesse könnte so ein wichtiges Kapitel der technischen Entwicklung in der Region Winterthur auch den nachkommenden Generationen näher bringen.
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